Bücherecke: Alle meine Wünsche – Grégoire Delacourt

Eine der schönen Seiten von nass-kaltem Winterwetter ist, dass man es sich drinnen im Lieblingssessel mit einer schönen Tasse Tee und einem Buch gemütlich machen kann. Da ich schon von klein auf eine Leseratte bin und das Lesen auch dank meines Berufs ein ziemlich großer Teil meines Lebens ist, habe ich mir vorgenommen, im Blog auch immer mal wieder Bücher vorzustellen, die ich gerade lese oder die mir im Gedächtnis geblieben sind. Nähbücher werden natürlich auch dabei sein!

Den Anfang macht heute aber ein Roman: „Alle meine Wünsche“ von Grégoire Delacourt. Das Buch hat letztes Jahr seinen Weg in meinen Bücherschrank gefunden und ich muss zugeben, für den Kauf war zunächst mal allein die Umschlaggestaltung ausschlaggebend. Ich meine, da ist ein Knopf drauf – und Garn und Pailletten – als ob ich da widerstehen könnte! (Noch verführerischer ist das Cover der englischen Ausgabe. Ja, für Knopfsüchtige lauert die Versuchung überall …) Glücklicherweise verbirgt sich hinter der hübschen Fassade aber auch ein wirklich gut geschriebener Roman – eine melancholische, tiefsinnige Geschichte über das kleine und das vermeintlich große Glück.

Das Buch handelt von Jocelyne, die in der nordfranzösischen Provinz einen Kurzwarenladen führt und einen Nähblog schreibt. Es erzählt von den Höhen und Tiefen ihrer Ehe und davon, wie sehr sie trotz mancher Widrigkeiten ihr normales Leben liebt. Eines Tages lässt sie sich von ihren Freundinnen überreden, zum ersten Mal im Leben Lotto zu spielen, und knackt prompt den Jackpot – was ihr bisheriges Leben natürlich komplett auf den Kopf stellt. Und mehr wird über die Handlung nicht verraten, den Rest solltet ihr selber lesen!

Ich weiß nicht, ob ihr das kennt, aber manchmal liest man einen Satz oder einen Abschnitt, der ist genau so formuliert, dass er einen ganz persönlich anspricht und irgendwas einfach „Klick“ macht. Und selbst, wenn man irgendwann vergisst, worum es in einem Buch ging, dieser Satz oder Abschnitt bleibt einem im Gedächtnis, auch wenn er vielleicht mit der eigentlichen Handlung des Buchs gar nichts zu tun hat. So ging es mir auch bei ein paar Zeilen aus „Alle meine Wünsche“.

Jocelyne hat gerade ihren Lottogewinn in Paris abgeholt und mit dem Scheck in der Tasche führt sie ihr erster Weg in die Chanel-Boutique, wo sie aber vom plötzlich erschwinglichen Luxus so überwältigt ist, dass sie das Geschäft fluchtartig wieder verlässt. Nach einer kurzen Erholungspause besucht sie stattdessen den Marché Saint-Pierre – ein riesiges Stoffgeschäft, das sie ihre „Schatzhöhle“ nennt (und das nach einem Blick auf die Internetseite auch auf meiner Liste der Sehenswürdigkeiten von Paris ganz oben steht – wer braucht schon den Eiffelturm?). Und so liest sich das im Roman:

„Meine Hände streichen über Stoffe, meine Finger zittern bei der Berührung von Organdy, feinem Wollfilz, Jute, Patchworks. Hier spüre ich den Rausch, den die Frau in dem wunderbaren Werbefilm verspürt haben muss, die eine ganze Nacht bei Sephora eingeschlossen war. Alles Gold der Welt würde diesen Taumel nicht aufwiegen. Hier sind alle Frauen schön. Ihre Augen glänzen. Beim Anblick eines Stück Stoffs stellen sie sich schon ein Kleid, ein Kissen, eine Puppe vor. Sie fabrizieren Träume, sie halten die Schönheit der Welt in ihren Händen. Bevor ich gehe, kaufe ich Bembergseide, ein paar Polypropylenriemen, Baumwollzackenlitze und Perlentroddeln. Das Glück kostet nicht mal vierzig Euro.“

Schön, oder? Ich glaube, jeder, der gerne handarbeitet oder bastelt und Material kaufen geht, kennt das Gefühl. Aber eine so tolle Beschreibung dafür habe ich bisher noch nirgends gesehen. Allein dafür hat sich das Lesen schon gelohnt.

Zum Schluss aber noch ein Wort der Warnung: Das Buch ist kein Gute-Laune-Frauenroman, den man mal zwischendurch liest und gleich wieder vergessen hat. Und unter einem „Happy End“ stellt man sich wohl etwas anderes vor – wer also zu Winterdepressionen neigt, sollte sich diesen Titel lieber für den Sommer aufheben. Auch die Herren der Schöpfung kommen hier nicht gerade gut weg – für Frischverliebte oder Frischgetrennte also vielleicht auch nicht unbedingt die passende Lektüre. Trotzdem gibt’s von mir eine klare Leseempfehlung, weil die Geschichte so viele kleine und große Wahrheiten enthält, die einen zum Nachdenken anregen, und weil sie wirklich wunderschön geschrieben ist. (Übersetzer lesen ja grundsätzlich gerne alles in Originalversion, nur mit meinem Schulfranzösisch würde ich mich da in diesem Fall nicht ranwagen – die deutsche Übersetzung liest sich aber wirklich hervorragend!)

Also viel Spaß beim Schmökern und bis bald!

Kati

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